Die Stadt Lissabon ist ein aus Zentrum und
Peripherie bestehender Ort, Drehscheibe und Treffpunkt der Kulturen; als solche ist sie
eine Stadt vieler und unterschiedlicher Architekturen.
Sie ist eine
einzigartige Stadt mit Hügeln, Tälern und Hängen, ihrer geologischen Mannigfaltigkeit,
den Gebäuden aus Sandstein mit farblich abgestuftem Putz und Friesen, dem Basaltpflaster,
ihren Brisen und Winden, mit einem Flussufer als Grenze und emblematisches Angesicht für
die Ankömmlinge.
Es ist ein Ort der Metamorphose, der sich neu erfindet und verwebt in
aufeinanderfolgenden und unterschiedlichen urbanen Formen; eine Stadt mit
Expansionskultur, die jedoch einer Verinnerlichung und einer Peripherisierung unterworfen
ist, die sie nur schwer assimilieren kann.
©
Parque EXPO'98 S.A. - Bruno Portela |
Vom Standpunkt der Stadtplanung handelt es sich um eine Stadt grosser
Komplexität und Sensibilität - ein Prozess der Ablagerung von Kulturen und der
Verbindung mit der ländlichen Umgebung, mit nur wenigen strukturierenden städtebaulichen
Massnahmen - eine fragile Stadt mit Konflikten, die mit dem schnellen Wachstum und der
Transformation einhergehen, und zudem eine Stadt mit einem reduzierten öffentlichen Raum.
Die Stadt Lissabon, ausgehend von dem Hügel des Kastells gebildet,
strukturierte sich zunächst nach dem Vorbild der römischen Städte - Organisation in
funktionell und räumlich gut charakterisierten Kernen, in denen das Kastell (Hügel), das
bürgerliche Zentrum (Hang) und der Hafen (Flussufer) zusammen die Dimensionen einer Stadt
ergeben, eingebettet in ein Netz römischer Städte, mit denen sie durch das Strassennetz
verbunden ist.
Nacheinander errichten die arabische Besatzung, die christliche
Wiedereroberung, die Einrichtung der Hauptstadt des Königreiches, die Epoche der
Entdeckungen unter D. João V eine Stadt, in der viele verschiedene Kulturen und
städtebaulichen Modelle nebeneinander existieren.
Nach der Katastrophe von 1755 - Erdbeben, Meerbeben und Brand - kommt
es zu dem ersten strukturierenden Eingriff, der nicht nur aus einem neuen städtischen und
architektonischen Modell besteht - einschliesslich des Bausystems, der Modulierung,
Rationalisierung und Normierug der Materialien - sondern auch eine tiefgehende
Transformation der Produktion und der städtischen Verwaltung fördert.
Dann werden die öffentlichen Räume hinzugefügt - Alleen und
Bürgersteige - und mit der Entwicklung der Transporte (zeitgleich mit dem industriellen
Anwachsen) bekommt die Stadt eine neue Dimension. Eisenbahn und Strassenbahn werden
installiert, die strahlenförmigen Strassenachsen und die neuen Alleen, simplen
geometrischen Modellen folgend, werden geöffnet. Dies führt zur geordneten Expansion der
Stadt und zur Errichtung neuer Stadtviertel.
Das damals vorgeschlagene städtische Modell, verknüpft mit der
Eingrenzung des Stadtperimeters duch eine Umgehungsstrasse - wobei der Fluss als
natürliche Wachstumsbarriere dient - hierarchisiert die Stadt bezüglich ihres Zentrums,
schafft die zukünftigen Randgebiete und fördert die Bodenspekulation.
Im Jahre 1900 begrenzt der Eisenbahngürtel die Peripherie der bebauten
Stadt - Vale de Alcântara, Sete Rios, Entre-Campos, Xabregas. Die Einwohnerzahlen liegen
bei 300.000 und das urbane Modell setzt Vertrauen in die Stadt als harmonisch
strukturierte Fläche.
Der "Neue Staat" idealisiert die Stadt als ein Ganzes und der erste
Bebauungsplan (1948, E. de Goer) strukturiert sie als ein Gewebe aus Strahlen und Kreisen
- Strassenverkehrskanäle, die die Stadt in Abschnitte teilen.
Es werden Enteignungen vorgenommen und grosse Reserven von städtischem Boden
gebildet, die zum Bau des Stadtwaldes Monsanto, des Flughafens, der sozialen Viertel, der
öffentlichen Bauten und der Ausstellung der Portugiesischen Welt verwendet werden.
Das Anwachsen des Individualverkehrs bei Rückgang des
Kollektivtransports und die rapide Konzentration der Bevölkerung in der Stadt Lissabon
(800.000 Einwohner im Jahre 1960) verändern das konsolidierte Wachstum der Stadt. Das
Strassenverkehrsnetz verwandelt tiefgehend ihre Physionomie - es ändert die Zeit und die
Skala einer Stadt mit komplexer Topographie und komplexem Grundbuch -, es fragmentiert sie
und nimmt ihr die über Jahrhunderte entstandene Einheit.
Die Brücke über den Tejo, zwischen Alcântara und Almada (1966),
trägt nicht zu der Raumordnung der Stadt Lissabon bei. Sie ist gedacht als eine
Komponente des nationalen Strassennetzes, die die Autobahnen von Cascais, Sintra, West und
Nord verbinden soll; als solche zerteilt und verstopft sie Lissabon.
Als die Stadt innerhalb des Stadtgebietes 850.000 Einwohner zählt (vor
dem Rückgang und bevor der Grossraum Lissabon 2,5 Millionen Einwohner erreicht), ist sie
durch Strassenverkehrswege und spezialisierte, monofunktionelle Gebiete strukturiert.
© Parque EXPO'98 S.A.
- Bruno Portela |
Als das gesamte Territorium ausgefüllt ist und angesichts eines Prozesses des
Bevölkerungsrückgangs, der Dezentralisierung und Aufgliederung der Macht beginnt die
Stadt die Aktionen zur Rückgewinnung, Umkehrung, Rehabilitation und Revitalisierung ihres
Territoriums - es ist ein Recycling und Wiedernutzbarmachen der Stadt.
In
diesem Zusammenhang entsteht die Idee von einem grossen Projekt als Katalysator der
Stadterneuerung, welches in der Lage ist, die Mittel zu mobilisieren und die Synergien zur
effektiven Modernisierung Lissabons zu bilden.
Die Stadt- und die Umweltkomponente stellen die Determinanten der Umwandlung des
Interventionsgebietes der Parque EXPO 98 dar, wobei als relevante Aspekte das Klima, die
Wasserressourcen, die Geologie, die Reduzierung des mit der urbanen Konfrontation
verbundenen Energieverbrauchs, Transportmittel, Gebäude und Infrastrukturen -
einschliesslich zentrale Wärmesteuerung -, das urbane Design für den Entwurf von
öffentlichen Räumen und Grünflächen, die Aussichtssysteme, die Vielfältigkeit und
Dichte der Nutzungen, die kulturellen und architektonischen Zeugnisse, die Zeugnisse der
städtischen Kunst und der technologischen Innovation, sowie die Einzigartigkeit und
Sensibilität des Ortes gelten.